Ulf Buermeyer über Freiheitsrechte und strategische Klageführung

Egal ob es um Gewalt in der Partnerschaft, Hetze auf Social Media oder den Umgang mit Geflüchteten geht: Nur allzu oft gibts bei all diesem Themen einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Und gerade in Krisenzeiten geraten Grund- und Menschenrechte infolge populistischer Debatten regelmäßig unter Druck. 

Das Bundesverfassungsgericht pfeift den Gesetzgeber immer wieder zurück, wenn Gesetze im Widerspruch zu grundgesetzlich verankerten Rechten stehen. Doch… wo kein Kläger, da kein Richter! Selbst wenn man weiß, dass man im Recht ist, sind die Hürden für viele unüberwindbar. Gerade bei Themen ohne eine finanziell starke Lobby im Hintergrund, droht die Gerechtigkeit manchmal auf der Strecke zu bleiben. Welche Betroffene hat schon die nötigen Kapazitäten, um sich allein durch alle Instanzen zu klagen? Wer juristisch gegen Missstände vorgehen will, braucht schließlich einen langen Atem.

Ulf Buermeyer ist ist nicht nur einer der beiden Hosts beim bekannten Podcast “Lage der Nation” und Richter am Landgericht Berlin, sondern auch einer der Gründer der Gesellschaft für Freiheitsrechte – kurz GFF. Mit ihm spreche ich über das Konzept der strategischen Klageführung, Hass im Netz, Chatkontrolle und die Arbeit des Vereins.

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Weiterführende Quellen

Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)

American Civil Liberties Union (ACLU)

Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz

Präventivhaft gegen ein Mitglied der Letzten Generation

Die Arbeit der GFF zu diversen Polizeigesetzen der Länder

Renate Künast und Streit um vermeintlich „hinnehmbare Äußerungen“

Eckpunkte für ein gesetz gegen Digitale Gewalt

Recherche vom „ZDF Magazin Royale“ zu Hass im Netz

Klarnamenpflicht in Südkorea

Justizminister Buschmann gegen Chatkontrolle

GFF zum Thema Handyauswertungen durchs BAMF

Foto: CC-BY-SA 3.0 Markus Beckedahl

5 Gedanken zu „Ulf Buermeyer über Freiheitsrechte und strategische Klageführung

  1. Ich habe den Podcast mit Interesse verfolgt und kann viele Argumente bzgl. des Kommunikationsgeheimnisses als Grund- und Schutzrecht gegen staatliche Willkür nachvollziehen und gutheißen.
    Gleichwohl empfinde ich die Diskussion als etwas einseitig. Warum? Meiner Meinung nach wurde im Gespräch sehr leichtfüßig der Kindesmissbrauch, der zum Austausch von Bilddateien auf speziellen Plattformen führt, abgetan als „Vorwand“ der EU- Kommission gezeichnet um weitergehende Eingriffe zu ermöglichen. Diese Gefahr dürfte eventuell real sein, da die Ermittlungsbehörden dokumentierbaren Erkenntnisgewinn brauchen, um Verbrechen verfolgen zu können. Mir fehlt in Eurer Diskussion die Aussicht auf die Frage: Wie weiter?
    Diese Frage braucht konstruktive Lösungen, denn um Kindesmisshandlung zu bekämpfen, reicht es nicht moralische Appelle von sich zu geben. Das fand ich ziemlich lahm bei dem Gespräch, denn….. Kinder können sich nicht wehren, Migrant:innen und Journalist:innen schon.

    1. Hallo Anneliese,

      Danke für Dein Feedback. Ich kann das absulut nachvollziehen. Ich denke Ulf und ich waren da ein wenig „betriebsblind“, weil wir darauf nicht eingegangen sind, warum wir das für keine effektive Lösung halten – wahrscheinlich, weil das einfach bei so gut wie jedem Überwachungsthema früher oder später als Argument herangezogen wird… In weiten Teilen schließe ich mich da den Argumenten von Gruml an – die Täter werden auf andere Plattformen ausweichen. Was dann bleibt ist lediglich die Aufweichung der Sicherheit für die breite Allgemeinheit, während die Täter einfach andere Plattformen nutzen (machen sie jetzt auch schon…).

      Zudem ist das Ganze technisch alles andere als trivial. Denn wenn man KI-basiert Fotos von nackten Kindern erkennen lassen will, werden garantiert Millionen Fotos junger Eltern im Filter landen, die einfach nur harmlose Babyfotos mit den Großeltern tauschen. Und freizügige Bikini Fotos von Teenagern, die sie einander einvernehmlich privat zuschicken würden ebenfalls zu einem Alarm führen (und ich bin mir sicher viele Eltern fänden das gar nicht ideal, wenn Behörden plötzlich Kopien solcher Bilder ihrer Teenager-Kinder hätten). Und andere Mechanismen haben ähnliche Probleme.

      Zudem muss man leider sagen, dass der größte Anteil des Missbrauchs in Familien & dem privaten Umfeld stattfindet und weniger mit „Fremden aus dem Internet“ zu tun hat. Leider wird darüber aber Gesellschaftlich viel zu wenig gesprochen, weil das wirklich eine bittere Einsicht ist, dass es eben oft der Onkel, nette Nachbar, etc.. ist und kein Fremder. Nicht alle Täter erstellen zudem Bilder & verbreiten diese weiter. Will man der Mehrheit der Betroffenen helfen, müsste man sich als Gesellschaft eingestehen: Die Täter leben unter uns und es braucht mehr Awareness (Generelle Bereitschaft frühe Anzeichen bei Kindern zu erkennen, geschultes Personal bei Behörden (Schulen, Kitas, Ärztinnen, etc…), Schulungen für Kinder damit Missbrauch uch als solchen benennen können (wird von Rechten ja gerne als „Frühsexualisierung“ dämonisiert, …), bessere finanzielle Ausstattung für Hilfsorganisationen, langfristige Unterstützung für Opfer (etwa Finanzierung von Therapien) – und zusätzlich schadet sicher auch nicht eine Förderung in der Breite für Angebote wie „Kein Täter werden“ (u.a. Charite Berlin).

      Ich hoffe das hilft Dir etwas weiter. Ansonsten gab es beim Podcast „Darknet Diaries“ letztens eine ganz spannende Folge dazu, wie Ermittler über das Tracken von digitalen Währungen (Bitcoin ist nicht anonym!) ein größeres globales Netzwerk ausgehoben haben.

      LG

      Kattascha

  2. Das Problem Kindesmisshandlung lässt sich nicht dadurch verhindern oder eindämmen, dass man alle legale Kommunikationswege dauerhaft überwacht. Die Täter wissen, was sie tun, und nutzen daher auch Kommunikationsmittel im Darknet, nicht überwachte Dienste etc. die lassen sich doch nicht dadurch einschränken, zusätzlich zu den sonstigen Verbrechen nun auch noch verbotene/illegale Kommunikation einzusetzen (wobei die das ja sowieso schon tun. Über WhatsApp oder Facebook teilt schon jetzt vermutlich niemand Kinderpornos).

    D.h. durch Chatcontrolle, also in dem man legale Anbieter wie Facebook, Twitter etc. zwingt, keine Verschlüsselung und Privatsphäre mehr zuzulassen, löst man kein Problem, ganz im Gegenteil, man liefert jeden Normalbürger den Kriminellen aus, denn die haben es nun leicht, beliebige Betrügereien durchzuführen, denn die kommen nun ganz unverschlüsselt an alle Daten (ok, etwas müssen sie sich noch anstrengen, aber es wird viel einfacher).

    Und wenn Facebook & Co seitens der EU gezwungen sind, die Verschlüsselung aufzugeben, dann hat das zwangsweise globale weltweite Auswirkungen. D.h. nicht nur Ländern und Polizeibehörden die als vertrauenswürdig gelten, stehen nun alle Daten offen, sondern eben allen. Und damit spielt man mit den Leben vieler Menschen, politisch Verfolgten, Minderheiten, Frauen etc.

    D.h. nur um politisch vorgeben zu können, etwas gegen Kindesmissbrauch zu tun, wird diese Überwachung forciert. Das ist also nur ein Vorwand, um politisch Punkte zu sammeln, sich gut mit den Wählern zu machen. Und das Thema ist in sofern „dankbar“, da jeder Kritiker leicht diskreditiert werden kann, denn: „was ist mit den Kindern“, bist du dagegen, sehen dich ggfs. viele schon als potentiellen Täter. D.h. mit dem Thema hofft man, die Diskussion über die Maßnahmen zu minimieren.
    Nur dass die Chatkontrolle in Wirklichkeit eben keine Kinder schützt. Die Täter können die kontrollierte Kommunikation ja leicht vermeiden. Normale Leute aber nicht. Und so gibt es am Ende nicht nur keine Verbesserung für die Kinder, sondern nur zusätzlich Opfer in vielen anderen Bereichen (politisch verfolgte, Minderheiten, Opfer „normaler“ Krimineller, deren Daten nun einfacher zu beschaffen sind etc).

  3. Herr Buermeyer findet es offenbar sehr plausibel, dass man die Netzhater nicht aufgrund ihrer IP-Adresse dingfest macht. Dann ist es doch aber seltsam, dass das irgendwie doch geht, wenn kapitalistische Interessen beeinträchtigt werden. Wenn ich einen Film illegal runterlade, dann reicht meine IP-Adresse zur Verfolgung vollkommen aus.

    1. Naja, die IP-Adresse reicht eben nicht aus. Es gibt bei Urheberrechtsverletzungen sehr viele Falschbeschuldigungen. Und viele Unschuldige zahlen die Abmahnungen, weil sich einen Anwalt zu nehmen um dagegen vorzugehen als noch teuerer mit noch mehr Ärger befürchtet wird. Man leistet es sich hier durch das Abmahnwesen tatsächlich, Unschuldige zu treffen (sind ja „nur“ ein paar hundert Euro), um die Justiz zu entlasten, die sich ansonsten ja mit diesen Fällen beschäftigen müsste. Und am Ende kommt dann so gut wie nichts heraus, außer dass man eine Menge Zeit verschwendet, die die Justiz besser für ernsthafte Verbrechen aufwenden sollte.

      Bei Kindesmisshandlung kann man aber sich nicht nur auf derart grobe und unzuverlässige Daten, wie IP-Adressen verlassen. Da braucht es deutlich mehr, um Täter eindeutig zu identifizieren. Die IP-Adresse kann man z.B. leicht verbergen, z.b. über Anonymisierungsnetzwerke wie TOR. Das wird von Kriminellen genutzt, aber eben auch von politisch Verfolgten, Unterdrückten, usw. die z.T. mit dem Leben bedroht wären, wenn man sie z.b. über die IP lokalisieren könnte. Auch hier kann man nicht einfach sagen: verbieten wir TOR einfach. Zum einen beraubt man dadurch vielen Menschen in Unterdrückungsstaaten ihre Möglichkeit zur Kommunikation und auf sich aufmerksam zu machen, liefert sie noch mehr dem System aus, zum anderen kümmern sich Kriminelle ja nicht um derartige Verbote, sie tun ja eh schon viel schlimmeres…

      D.h. die IP-Adresse ist letztendlich nicht wirklich wichtig oder sinnvoll zum Ermitteln der Täter. Die IP betrifft den normalen Bürger, nicht die Kriminellen, die nutzen TOR oder vergleichbare Dienste.

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